Solidarität ist in Bewegung geraten. Spätestens seit dem kurzen Sommer der Migration 2015, der Covid-19-Pandemie, im Zusammenhang mit Konflikten und Kriegen weltweit sowie der sich verschärfenden Klimakrise erleben wir gesellschaftliche Dynamiken höchster Ambivalenz: während sich eine Vielzahl gesellschaftlicher Akteur*innen solidarisch mit geflüchteten Menschen, einem verletzten Planeten oder Tieren zeigt, sich bürgerschaftlich engagiert und auf Demonstrationen für Seenotrettung oder Klimagerechtigkeit einsetzt, treten auch rechtsextreme, rassistische, antisemitische, antimuslimische sowie antifeministische Zusammenschlüsse sowie Klimakrisenleugner*innen offensiv ins öffentliche Rampenlicht, warnen vor einer imaginierten ‚Überfremdung‘ der Gesellschaft, fordern Grenzen der Zugehörigkeit ein (Hess et al., 2016) und positionieren sich gegen eine diversitätsreflektierte Gesellschaft. Die Gemengelage von Solidarisierung und Entsolidarisierung spitzt sich zu. Die Beschäftigung mit Solidarität ist dabei nicht auf einzelne Bereiche des gesellschaftlichen Lebens verengt, sondern verzahnt mit gesamtgesellschaftlichen, globalen Fragen danach, wie wir miteinander leben, mit der Natur und Tieren umgehen, wie wir wirtschaften, wohnen, Städte und Land gestalten und die Welt den nächsten Generationen übergeben wollen. Solidarität ist ein interdisziplinär verhandelter Gegenstand und für die Soziale Arbeit von besonderer Relevanz. Die Soziale Arbeit befasst sich als Menschenrechtsprofession (Staub-Bernasconi, 2019) professionsethisch und theoretisch fundiert mit Fragen sozialer Ausschließung (Anhorn et al., 2012) und strebt qua Mandat sozialen Wandel, Partizipation und Inklusion an (IFSW, 2014; Spatscheck, Thiessen, 2017). Der Solidaritätsbegriff wird zur Beschreibung des pädagogischen Auftrags Sozialer Arbeit vor allem von Berufsverbänden (z.B. DBSH, 2011), aber auch in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder herangezogen (z.B. Seithe, 2012; Bettinger, 2013). Gleichwohl ist Solidarität vor allem eines: eine soziale Praxis des Verbindens, die in sozialen Beziehungen entsteht. So sind es Allianzen vor Ort, in regionalen, transnationalen und digitalen Räumen, welche kreative Ideen für ein solidarisches Zusammenleben in der Weltgesellschaft entwickeln und umsetzen. Das Seminar nimmt diese Praxen zum Ausgangspunkt, um alte und neue Felder solidarischen Handelns in ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit zu explorieren. Wir beschäftigen uns anhand ausgewählter Beispiele damit, wie in solidarischen Aktionen - wie beispielsweise in Protestevents, aber auch in ökosozialen Projekten, im Theater und in der Musik - solidarische Narrative in einer kreativen Art und Weise geschaffen werden. Das Seminar versteht sich als Experimentierraum, um schließlich selbst tätig zu werden und das angeeignete Wissen in kreative Ausdrucksformen zu übersetzen. Hierzu finden ausgewählte Workshop-Einheiten zu Methoden aus den Bereichen partizipative Forschung, Kultur sowie Diversity statt, welche gemeinsam erprobt und (weiter-)entwickelt sowie für die eigene berufliche Praxis nutzbar gemacht werden.
- Dozent/in: Caroline Schmitt