
Infrastruktur und Architektur kommen sich in immer dichter werdenden Städten gelegentlich sehr nahe. Das ist besonders der Fall am Gleisdreieck, einem zentral gelegenen, eindrücklich gekreuzten und für Berlin besonders typischen Hochbahnhof.
Der direkt angrenzende Park ist von dieser Infrastruktur geprägt. Statt dessen Freiraumqualitäten jedoch mit Immissionen einzuschränken, befördern die Hochbahnen den einzigartigen Charakter das Parkes geradezu. Viadukte unterstützen die räumliche und funktionale Sequenzierung des Parkes, die Gleisanlagen bilden auf mehreren Höhen vielschichtige Sicht- und Bewegungsachsen und nicht zuletzt präsentieren die ein- und ausfahrenden Züge ein beinahe schon theatralisches Schauspiel mit einigem Unterhaltungswert.
Dieser Verkehrsknoten Gleisdreieck soll in Zukunft durch eine weitere S-Bahnlinie noch enger geknüpft werden. Den beiden sich kreuzenden U- bzw. S-Bahnstrecken wird weiterer Bahnsteig an die Seite gestellt, der Verkehr wird also dichter.
Zudem fand vor 10 Jahren ein Wettbewerb statt, der den Neubau dieses zusätzlichen Bahnsteiges, sowie eine hochverdichtete Bebauung der umgebenden Restflächen zum Ziel hatte. Projiziert wurde eine Hochhausviertel aus Büros und Hotel. Gegen diese Planung regte sich schnell engagierter Widerstand, eine Bürgerinitiative kritisierte vielerlei Versäumnisse, und aus heutiger Sicht ist ein massiver Ausbau nicht benötigter Büroflächen ohnehin kaum tragbar. Was Berlin braucht sind Wohnungen, vor allem kleine, bezahlbare Wohnungen. Und eben einen weiteren Bahnsteig.
Umsteigen+ soll verbinden. Umsteigen wollen wir im Wortsinne von einem Bahnsteig auf den anderen, umsteigen wollen wir aber auch von Büro auf Wohnen. Eine hochverdichtete Bauweise ist dabei dem Ort grundsätzlich angemessen, lediglich der Grad der Verdichtung wird entwurfsabhängig zu klären sein. Als lehrreiche Referenzen dienen hierzu Wohnbebauungen, die in den vergangenen Jahrzehnten entlang des Gleisdreieck-Parkes mit ganz unterschiedlichen Qualitäten entstanden sind.
Umsteigen+ muss auf engem Raum scheinbar gegensätzlichen Bedürfnisse der Horizontalen – des Bahnhofs – und der Vertikalen – der Wohnbebauung – miteinander in Einklang bringen. Dies gilt in funktionaler, wie auch in konstruktiver Hinsicht. Während der Bahnhof eine offene Hallenstruktur verlangt, gibt effiziente Wohnbebauung gewöhnlich eine gewisse Dichte und Kompaktheit vor. Vor allem der Bahnhof ist seinem Wesen nach zunächst eine utilitaristische Raumstrukturen, was aber immer häufiger auch auf ressourceneffiziente Wohnbauten zutrifft. Entsprechend werden wir uns mit Rastern auseinandersetzen, versuchen einfach zu bauen, aber auch den kommunalen Nutzen von Bewegungs- und Erschließungsflächen ausloten. Gepaart mit den Qualitäten der angrenzenden Parklandschaft dürfen überraschende und auch experimentelle Lösungsvorschläge entwickelt werden.
- Dozent/in: Joris Jakob Fach